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Die Nerven liegen blank

Börsenexperte Sören Weigelt berät Sie gerne rund um die Themen Börse, Aktien und Co. Schreiben Sie uns!

An den Aktienmärkten kehrt keine Ruhe ein. Nach der erwarteten Zinserhöhung von 0,5 Prozent in den Vereinigten Staaten folgte eine beeindruckende Erleichterungsrallye. Diese sollte nur eine Lebensdauer von 24 Stunden besitzen. Es folgten drei dramatische Ausverkaufstage. Dabei wurde keine Anlageklasse verschont. Erneut mussten Technologieaktien sowie Kryptowährungen die stärksten Abschläge verkraften. Die ehemaligen Lieblinge verkommen zu Ramschartikeln. Jetzt muss die sorglose Spekulationswut der vergangenen zwei Jahre bezahlt werden. Kein Investor greift diese Titel derzeit mit der Kneifzange an. Mittlerweile hat ein Großteil dieser Branche, Kursverluste von 50 bis 75 Prozent von der Spitze aufzuweisen. Einige Giganten wie Apple, Tesla und Microsoft zeigen noch geringere Abschläge. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch hier größere Verkäufe erfolgen. Aus Bewertungssicht sind die genannten Aktien aktuell zu teuer. Andere Märkte, die absolut gesund dastehen, geraten durch diese Panik in Sippenhaft. Übertreibungen gibt es nach oben, aber leider auch in die umgekehrte Richtung. Zukünftig wird es um eine komplizierte Bodenbildung gehen. Eine neue Tatsache kommt dabei erschwerend hinzu. Seit einer Ewigkeit finden erstmals Rückflüsse in ETF-Produkten (Indexfonds) statt. Durch die Gelddruckerei hatte sich hier ebenfalls eine Blase gebildet. Bei Rückgabe der Anteile müssen die im Index enthaltenen Aktien an der Börse verkauft werden. Dieser Umstand sorgt für zusätzlichen Druck. Es wird einen Boden geben, wann dieser erreicht ist und wo er liegt, kann ich Ihnen nicht genau sagen. Unkalkulierbare Sachverhalte, wie ein Krieg, mit den damit verbundenen Preisexplosionen, lassen seriöse Prognosen nicht zu. Das versteht sich von selbst. Eine Analyse des Heute in Anbetracht der langjährigen Erfahrung lässt Eingrenzungen zu. An der Technologiebörse Nasdaq ist ein Großteil der Blase abgearbeitet, ein Restrisiko bleibt. Die Bewertungen in den USA nehmen Normalformen an, deutsche Aktien verbilligen sich weiter auf einem ohnehin bereits preiswerten Niveau. Die Umlaufrendite in Deutschland beträgt 0,98 Prozent p.a. Ist dies bereits eine Konkurrenz für Aktien? Nein. Je schwärzer die Stimmung ist, desto näher stehen wir an der Wende. Wenn es der derzeitige Crash auf die Titelseite der BILD-Zeitung schafft, ist das Ende der Abwärtsbewegung nah. Verkäufe in diesem Umfeld machen keinen Sinn, unser Warten wird zukünftig belohnt. Das restliche Bargeld besteht als Notreserve. Ein Einsatz erfolgt bei einer Kapitulation der Marktteilnehmer. Sollte Deutschland ein Gasembargo gegen Russland auslösen, gehen hierzulande zeitweise alle wirtschaftlichen Lichter aus. Die Industrie sollte unsere Regierung bis zuletzt auf den Kamikaze hinweisen.

Keine Verschonung bei Rohstoffen

Die allgemeine Verkaufswut gilt genauso für alle Rohstoffe. Angst ist ein ansteckendes Gefühl. In Extremsituationen kann dieses massenpsychologische Phänomen bestens beobachtet werden. Nichts ist für die Masse schlimmer als fallende Preise. So entstehen Dominoeffekte. Im täglichen Leben ziehen uns Preissenkungen magisch an, bei Rabatten stehen Menschen Schlange. An der Börse findet das Gegenteil statt, alle ergreifen die Flucht. Obwohl die Logik uns sagt, dass durch einen Krieg alles möglich ist, auch der Verlust von Geldwerten. Gold und Silber haben alle Inflationen sowie Währungsreformen überstanden. Trotzdem werfen die Anleger beide Metalle nun auf den Markt. Technisch bleibt die Situation angeschlagen, weitere Verluste sind möglich. Öl rennt in eine Seitwärtsbewegung, für Optimisten und Pessimisten sprechen gleich viele Argumente.

Raus aus Anleihen

Festverzinsliche Wertpapiere gelten als sicherste Anlageklasse. Seit Wochen gehen die Kurse dramatisch zurück. Die Zinswende schlägt voll ein. Damit ergibt sich für deutsche Versicherungskonzerne ein großes Problem. Sie zählen zu den größten Inhabern dieser Papiere. Vollgepumpt für ihre Lebens- und Rentenversicherungen kommt neben den Aktien nun auch noch Druck von jener Seite. Wie hier versprochene Renditen erreicht werden sollen, bleibt ein Rätsel. Unsere Geldanlage, die von steigenden Zinsen profitiert, kann weiter zulegen. Der maßgebliche Bund-Future wurde bis unter 152 durchgereicht, eine kurze Erholung ist angebracht.

Die Nerven liegen blank
Zum Autor: Sören Weigelt verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in der Finanzindustrie. Seine Leidenschaft ist die Börse. Bevor er die Mitteldeutsche Vermögensberatung Weigelt & Co. GmbH gegründet hat, war er von 2006 bis 2011 als Vermögensverwalter und zusätzlich zwischen 2006 und 2008 als Mitglied des Vorstandes der Adlatus AG tätig. In den Jahren 2002-2006 verantwortete er als Geschäftsführender Gesellschafter die Vermögensverwaltung in der Adlatus GmbH. Er ist Mitbegründer der Adlatus GmbH. Als Wertpapierspezialist bei der HypoVereinsbank AG in Chemnitz betreute er von 1997-2002 ein Kundenvermögen von EUR 100 Mio. Zusätzlich war er zwischen 2000 und 2002 als Leiter der Wertpapierabteilung sowie als Stellvertretender Leiter der Vermögensanlage Sachsen tätig. Er führte ein Team von 40 Mitarbeitern in verschiedenen Filialen. Eine Auszeichnung als einer der erfolgreichsten Individualkundenbetreuer erfolgte im Jahre 2000 in Form eines Auslandsaufenthalts bei der HypoVereinsbank AG in New York. Sören Weigelt begann seine Karriere nach Abschluss der Lehre zum Bankkaufmann als Kundenberater (1991-1993) und im Anschluss als Individualkundenbetreuer (1995-1997) in der Bayerische Vereinsbank AG. Sören Weigelt verfügt über einen Abschluss der Bankakademie Frankfurt/M. als geprüfter Bankfachwirt. Er ist auch Vortragsredner und Kolumnist.