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Eine willkommene Atempause

Börsenexperte Sören Weigelt berät Sie gerne rund um die Themen Börse, Aktien und Co. Schreiben Sie uns!

Nach unendlich vielen Handelssitzungen mit Kursabschlägen dominierte in den letzten Tagen die Farbe Grün auf den Kurstickern. So etwas ist Balsam für die geschundene Anlegerseele. Am zurückliegenden Donnerstag packte die Europäische Zentralbank dann doch die große Zinskeule aus. Heftige Schwankungen an allen Märkten folgten unmittelbar. Dennoch war der Schock schnell verdaut. Dabei hielt die mittlerweile starke Unterstützungslinie beim DAX um die 12.400 Zähler. Durch den Rückenwind ermutigender Neuigkeiten aus dem Kriegsgebiet legten deutsche Aktien einen kleinen Kaufrausch von fast 1.000 Punkten auf das Parkett. Gestern trat dann die US-Inflationsrate als Spielverderber auf den Plan. Diese fiel zwar endlich, für die Börsianer stellte sich der Rückgang von 8,5 auf 8,3% p.a. (Erwartung 8,1% p.a.) als zu gering dar. Was eine Zahl hinter dem Komma an nervösen Börsen alles auslösen kann. Von der einen auf die andere Minute gingen die Fahnenstangen nach unten. Es war der Beweis, dass wir uns weiterhin in einer sehr fragilen, angespannten Situation befinden. Technisch wurde kein Porzellan zerschlagen. Vielmehr befinden wir uns seit Monaten in einer sogenannten Stabilisierungsphase, die nach Abschluss nordwärts verlassen werden sollte. Im derzeitigen Umfeld ist dies für die Masse kaum vorstellbar. Mittlerweile gehen 12 große Adressen an der Wall-Street von weiteren Aktiencrashs aus. Ökonomen wandeln zwischen schweren und sehr schweren Rezessionen, die uns in der baldigen Zukunft heimsuchen. Im Kontext solcher Schwarzmalerei halten sich die Kurse wacker. Das ist ein starkes Ausrufezeichen. An den Börsen wird nicht der heutige Gemütszustand, sondern die Erwartung einer Zukunft von 18 bis 24 Monaten gehandelt. In diesem Zeitfenster überwiegen dann endlich die Chancen.

Edelmetalle setzen Achtungszeichen

Da trauten die Marktbeobachter ihren Augen kaum. Mitten im Zinsschock und abermals springender Preise schlugen Edelmetalle mit Kursaufschlägen zu Buche. Gold drehte genau an der technischen Grenze unter 1.700 USD, bei Silber schien Hopfen und Malz bereits verloren. Es folgte eine beachtliche Rallye, die wegen der zu hohen Inflationsangabe (siehe oben) ihr jähes Ende fand. Bei genauerer Betrachtung muss eine erste Differenzierung her. Seit wenigen Tagen gibt es Unterschiede in der Korrelation zwischen Gold und Silber. Über Jahre hinkte der kleine Bruder dem großen hinterher. Nun fand ein Sprint statt, bei dem Silber rechts überholte. Bis jetzt ist es nicht mehr als eine Randnotiz. Für eine positive Abkopplung des Silberpreises müssten vorerst zahlreiche Prüfungen bestanden werden. Entdecken einige Investoren mitten in der Energiekrise auf einmal die unermessliche Bedeutung von Silber für die Zukunftsbranchen? Das weiße Metall erfüllt eine Art Hybrid-Funktion. Neben der Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel erfolgen 50 Prozent der physischen Nachfrage aus der Industrie. Die grüne Wende geht nicht ohne Silber. Elektromobilität sowie Photovoltaik verschlingen zukünftig große Mengen des begehrten Rohstoffs.

EZB tritt auf das Gaspedal

Etliche Analysten erwarteten eine Zinserhöhung von 0,5 Prozent in Europa, am Ende gab die EZB nach und straffte gleich die Zügel um satte 0,75 Prozentpunkte. Kurze Schockwellen durchströmten die Rentenmärkte. Beim Bund-Future setzte sich die Fahrt Richtung Süden fort. Bis in den Bereich von 142 Punkten ging die Reise. Dort erfolgt eine Verschnaufpause. Als logische Konsequenz sollten die Preise danach ihre Schwäche fortsetzen. Am Jahresende wäre es kein Wunder, wenn in den Vereinigten Staaten für Anleihen mit 10 Jahren Laufzeit eine 4 vor dem Komma steht.

Eine willkommene Atempause
Zum Autor: Sören Weigelt verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in der Finanzindustrie. Seine Leidenschaft ist die Börse. Bevor er die Mitteldeutsche Vermögensberatung Weigelt & Co. GmbH gegründet hat, war er von 2006 bis 2011 als Vermögensverwalter und zusätzlich zwischen 2006 und 2008 als Mitglied des Vorstandes der Adlatus AG tätig. In den Jahren 2002-2006 verantwortete er als Geschäftsführender Gesellschafter die Vermögensverwaltung in der Adlatus GmbH. Er ist Mitbegründer der Adlatus GmbH. Als Wertpapierspezialist bei der HypoVereinsbank AG in Chemnitz betreute er von 1997-2002 ein Kundenvermögen von EUR 100 Mio. Zusätzlich war er zwischen 2000 und 2002 als Leiter der Wertpapierabteilung sowie als Stellvertretender Leiter der Vermögensanlage Sachsen tätig. Er führte ein Team von 40 Mitarbeitern in verschiedenen Filialen. Eine Auszeichnung als einer der erfolgreichsten Individualkundenbetreuer erfolgte im Jahre 2000 in Form eines Auslandsaufenthalts bei der HypoVereinsbank AG in New York. Sören Weigelt begann seine Karriere nach Abschluss der Lehre zum Bankkaufmann als Kundenberater (1991-1993) und im Anschluss als Individualkundenbetreuer (1995-1997) in der Bayerische Vereinsbank AG. Sören Weigelt verfügt über einen Abschluss der Bankakademie Frankfurt/M. als geprüfter Bankfachwirt. Er ist auch Vortragsredner und Kolumnist.