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Jede Medaille hat zwei Seiten

Börsenexperte Sören Weigelt berät Sie gerne rund um die Themen Börse, Aktien und Co. Schreiben Sie uns!

Wann hat es so eine Entwicklung zuletzt gegeben? Unser DAX stiehlt allen anderen Aktienmärkten auf der Welt die Show. In kleinen Schritten klettern wir von Rekord zu Rekord. So ein Verlauf ist immer trendbestätigend, zumindest unter halbwegs normalen Rahmenbedingungen. Die Stärke deutscher Aktien wirkt atemberaubend, aber auch unheimlich. In diesem Umfeld gleicht es einem Wunder. Wohin wir auch schauen, es gibt so gut wie keine positiven Nachrichten. Kleine Lichtblicke werden schnell von neuen Hiobsbotschaften abgelöst. Diese Faktenlage gilt in erster Linie der Pandemie. Alle Prozesse hängen von deren Verlauf ab. Wir bekommen die Lage bisher nicht in den Griff. Ganze gesellschaftliche Aspekte hängen am seidenen Faden. Die Entwicklung des DAX verschleiert die Realität auf den anderen Aktienmärkten. Noch wirkt es wie eine Insel der Glückseligen, in den USA oder China spielen sich zum Teil deutliche Korrekturen ab. Die Lieblinge des vergangenen Jahres büßen 30 bis 50 Prozent ein. Ein weiteres Debakel erschüttert das Vertrauen in die Finanzsysteme. Der nach Amerika ausgewanderste Südkoreaner, Billy Hwang, fährt letzte Woche seinen Hedgefonds gegen die Wand. Er konnte abermals die gierigen Banker blenden. Die ehemalige europäische Vorzeigebank, Credit Suisse, erlaubt sich hier den nächsten Fauxpas nach der Greenskill-Pleite. Fünf Milliarden Euro haben sich bei den Schweizern in Luft aufgelöst. Andere namhafte Institute hängen mit im Feuer. Die Einschläge kommen näher, wir müssen auf der Hut bleiben. Auf mittlere Sicht sowie für die Zeit nach der Pandemie können wir insbesondere für unsere einheimischen Werte zuversichtlich bleiben. Vom Hoch der letzten Hausse im März 2000 mit rund 8.200 Zählern haben wir bis heute lediglich 6800 Punkte zugelegt. In 21 Jahren sind das bescheidene 3,95% p.a. pro Jahr. Historisch gesehen ist dies eine unterdurchschnittliche sowie enttäuschende Entwicklung. Das Überraschungspotential besteht also nach Corona ganz klar auf der Oberseite. Bis dahin müssen wir jeden möglichen Rückschlag wegstecken, es wird sich reichlich lohnen.

Die Unruhe ist zurück

Noch in der letzten Woche sah es nach einer Befreiung der Edelmetalle in die nördliche Richtung aus. Der Montag hat diese Hoffnungen zunichte gemacht. Steigende Renditen bei US-Staatsanleihen sind der Spielverderber Nummer Eins. Ebenfalls könnte die jüngste Hedgefonds-Pleite eine Rolle gespielt haben. Unzählige Positionen mussten zwangsliquidiert werden, unter Umständen auch Edelmetalle.  Einer der letzten Optimisten von Gold schmiss jetzt zum Teil das Handtuch. Jim Cramer, der Wall-Street-Süchtige, empfiehlt zur Hälfte den Verkauf von Gold zugunsten von Bitcoin. Aus antizyklischer Sicht ist das ein gutes Zeichen. Über dem Terminmarkt lastet auf kurze Sicht weiterer Verkaufsdruck. Unterstützung kommt bald von zuletzt abstinenter Seite. Der russische Nationalfonds wird sich als Goldkäufer in den kommenden Monaten am Markt zurückmelden. Während normaler Zeiten wurden von diesem Institut 200 Tonnen Gold pro Jahr erworben, im vergangenen waren es nur 27. Die Hoffnung stirbt zuletzt, wir bleiben an Bord. Öl bremste den Sturzflug über 60 USD, hat bereits Terrain zurückgewonnen. Erste Kursziele von 100 USD und mehr geistern durch die Investmentwelt.

Zinswende geht auch ohne Notenbank

Auf diese Möglichkeit habe ich an dieser Stelle bereits oft hingewiesen. Eine Notenbank kann durch ihre Zinsentscheidungen nur die kurzfristigen Sätze beeinflussen. Zu diesen verleiht sie das Geld an die Geschäftsbanken. Hier wollen und müssen die EZB und nach jüngsten Bekenntnissen auch die Federal Reserve an der Niedrigzinspolitik festhalten. Was passiert aber, wenn sich die Zinsen der langen Laufzeiten nicht nach diesen Wünschen richten? Immer wieder wird am US-Rentenmarkt mit den Hufen gescharrt. Diese Renditen bilden sich eben ausschließlich durch Angebot und Nachfrage. Das Angebot steigt und somit die Renditen. Zum einen wird zu Anlagen mit mehr Ertrag umgeschichtet, zum anderen wird die Konjunkturerholung sowie die Inflationserwartung widergespiegelt.  Die bedrohliche Grenze von 1,75% p.a. für 10 Jahre wurde dieser Tage erneut erreicht. Der Machtkampf zwischen Markt und Notenbank ist eröffnet.

 

Jede Medaille hat zwei Seiten
Zum Autor: Sören Weigelt verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in der Finanzindustrie. Seine Leidenschaft ist die Börse. Bevor er die Mitteldeutsche Vermögensberatung Weigelt & Co. GmbH gegründet hat, war er von 2006 bis 2011 als Vermögensverwalter und zusätzlich zwischen 2006 und 2008 als Mitglied des Vorstandes der Adlatus AG tätig. In den Jahren 2002-2006 verantwortete er als Geschäftsführender Gesellschafter die Vermögensverwaltung in der Adlatus GmbH. Er ist Mitbegründer der Adlatus GmbH. Als Wertpapierspezialist bei der HypoVereinsbank AG in Chemnitz betreute er von 1997-2002 ein Kundenvermögen von EUR 100 Mio. Zusätzlich war er zwischen 2000 und 2002 als Leiter der Wertpapierabteilung sowie als Stellvertretender Leiter der Vermögensanlage Sachsen tätig. Er führte ein Team von 40 Mitarbeitern in verschiedenen Filialen. Eine Auszeichnung als einer der erfolgreichsten Individualkundenbetreuer erfolgte im Jahre 2000 in Form eines Auslandsaufenthalts bei der HypoVereinsbank AG in New York. Sören Weigelt begann seine Karriere nach Abschluss der Lehre zum Bankkaufmann als Kundenberater (1991-1993) und im Anschluss als Individualkundenbetreuer (1995-1997) in der Bayerische Vereinsbank AG. Sören Weigelt verfügt über einen Abschluss der Bankakademie Frankfurt/M. als geprüfter Bankfachwirt. Er ist auch Vortragsredner und Kolumnist.