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Jetzt läuft die Verteidigung an

Börsenexperte Sören Weigelt berät Sie gerne rund um die Themen Börse, Aktien und Co. Schreiben Sie uns!

Seit einer gefühlten Ewigkeit durften wir nicht so viele positiv verlaufende Handelstage hintereinander wie derzeit erleben. Im Hintergrund hatte sich unbemerkt eine zunehmende Kaufkraft aufgebaut. Diese traf ab Oktober auf einen ausgetrockneten, leergefegten Markt. Wenn beide Faktoren aufeinander fallen, kommt es zu einer Art Kursexplosion. Daneben spielten der überbordende Pessimismus nebst dem saisonalen Wechsel in das traditionell starke vierte Quartal die Schlüsselrollen. Tatsächlich bleibt die riesige Negativität der Börsianer unser Anker, ist fast der einzige offizielle Hoffnungsschimmer. Kein Analyst traut dem Braten. Am liebsten würden sie sich alle in einer Höhle verkriechen. Notierungen drehen immer dann, wenn das Zutrauen am Tiefpunkt steht. Anziehende Kurse üben einen unglaublichen Druck auf Nichtinvestierte aus. Unter psychologischer Betrachtung ist dies vielfach schlimmer, als Verlustpositionen im Depot auszusitzen. Wer falsch liegt, muss später definitiv teurer zurück in den Markt. Im Technologiebereich erlebten wir vergangene Woche mehrere Erdbeben. Ehemalige Stars wie Meta (vorher Facebook) oder Amazon verloren nach der Zahlenvorlage unglaubliche 20 Prozent an Wert. Damit ist die Blase der Branche endgültig geplatzt. Mark Zuckerberg und Jeff Bezos sind um dutzende Milliarden USD „ärmer“ geworden. Über die Monate „verschwanden“ insgesamt mehr als 13 Billionen USD an den amerikanischen Börsen. In solchen Horrorzahlen liegt auch eine Chance. Nach einem Ausverkauf geht es an die Aufräumarbeiten. Es kann mit Verzögerung die Basis für einen neuen Trend werden. Vieles hängt von Jerome Powell (US-Notenbankchef) & Co ab. Eine harte Prüfung erfahren wir im Laufe des heutigen Mittwochs. Dort erscheint das aktuelle Protokoll zur Zinspolitik. Wir bräuchten dringend einen Anhaltspunkt, dass die Zinsanhebungen demnächst geringer ausfallen als zuletzt. Während der laufenden Woche erlebt die Berichtssaison der Unternehmen ihren Höhepunkt. Mehr als 50 Bilanzen stehen vor der Veröffentlichung. Bisher trotzen viele Unternehmen den widrigsten Rahmenbedingungen. Das macht Mut und könnte anhaltende Kauflust bei Aktien verursachen. Nach dem zuletzt starken Anstieg wäre eine Verschnaufpause keine Seltenheit.

Wenige gegen Alle

Besonders schlecht bleibt die Stimmung gegenüber den Edelmetallen. Zahlreiche Experten unterbieten sich mit ihren Kurszielen. Kommentare über zukünftig höhere Preise müssen mit der Lupe gesucht werden. Wegen kletternder Zinsen sowie starkem Dollar sind die Notierungen gedeckelt, können dort bei einer Zuspitzung nur weiter an Boden verlieren. Seitens der Charttechnik gibt es keinerlei Signale. Erwartungsgemäß könnte nach der abendlichen Notenbanksitzung in den Vereinigten Staaten Hektik in die Kurse geraten. Bleiben die Falken mit ihrer harten Hand am Ruder sind Kursverluste fast vorprogrammiert. Gibt es unter Umständen das geringste Signal für eine Zinsentspannung im Jahr 2023, ist eine kleine Party machbar. Es bleibt bei einer Wundertüte, die letzten Tage konnte kein Mensch in die Karten der FED schauen. Unfreiwillig geriet Erdgas zum meistbeachteten Rohstoff. Sparsamkeit, mildes Wetter sowie Alternativen setzten die Preise unter Druck. Für viele andere Märkte liegt hier das Zünglein an der Waage. Aus der Gemengelage heraus bleiben weitere Rückgänge trotz Zwischenerholungen möglich.

Wann werden die Töne moderater?

Alle Augen sind auf den heutigen Abend gerichtet. Dann verkündet die amerikanische Notenbank ihre jüngste Zinsentscheidung. Bisher gilt die Erhöhung um den Dreiviertelprozentpunkt als ausgemachte Sache. Damit erfolgte bereits die Einpreisung am Markt, die Bekanntgabe an sich verkommt zum Nebenschauplatz. Umso genauer hören die Börsianer auf den Ausblick. Jedes Wort kommt auf die Goldwaage, selbst zwischen den Zeilen lesen die Akteure mögliche Bedeutungen heraus. Zuletzt gab es eine Pause beim Zinsanstieg. Dafür sorgten enttäuschende Wirtschaftsdaten in den USA. Folglich sehnen die Optimisten damit eine vorsichtigere Gangart bei den Zinsschritten herbei.

 

Jetzt läuft die Verteidigung an
Zum Autor: Sören Weigelt verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in der Finanzindustrie. Seine Leidenschaft ist die Börse. Bevor er die Mitteldeutsche Vermögensberatung Weigelt & Co. GmbH gegründet hat, war er von 2006 bis 2011 als Vermögensverwalter und zusätzlich zwischen 2006 und 2008 als Mitglied des Vorstandes der Adlatus AG tätig. In den Jahren 2002-2006 verantwortete er als Geschäftsführender Gesellschafter die Vermögensverwaltung in der Adlatus GmbH. Er ist Mitbegründer der Adlatus GmbH. Als Wertpapierspezialist bei der HypoVereinsbank AG in Chemnitz betreute er von 1997-2002 ein Kundenvermögen von EUR 100 Mio. Zusätzlich war er zwischen 2000 und 2002 als Leiter der Wertpapierabteilung sowie als Stellvertretender Leiter der Vermögensanlage Sachsen tätig. Er führte ein Team von 40 Mitarbeitern in verschiedenen Filialen. Eine Auszeichnung als einer der erfolgreichsten Individualkundenbetreuer erfolgte im Jahre 2000 in Form eines Auslandsaufenthalts bei der HypoVereinsbank AG in New York. Sören Weigelt begann seine Karriere nach Abschluss der Lehre zum Bankkaufmann als Kundenberater (1991-1993) und im Anschluss als Individualkundenbetreuer (1995-1997) in der Bayerische Vereinsbank AG. Sören Weigelt verfügt über einen Abschluss der Bankakademie Frankfurt/M. als geprüfter Bankfachwirt. Er ist auch Vortragsredner und Kolumnist.