Zum dritten Mal seit März setzte unser Deutscher Aktienindex bei der Linie um 12.400 Punkten auf. Folglich beginnt in diesem Bereich der erneute Versuch einer Bodenbildung. Je öfter eine Grenze getestet wird, umso tragfähiger wäre eine mögliche Unterstützung. In Kriegszeiten müssen technische Signale als fragil angesehen werden. Trotz allem bieten diese eine Orientierungshilfe. Dreimal ebbte an der oben genannten Zahl der Verkaufsdruck ab, es setzten anschließend sogar jeweils umfangreichere Käufe von Investoren ein. Ich bin nicht der größte Fan von reiner Charttechnik, eine sinnvolle Ergänzung bei der Meinungsbildung stellt das Ganze dann doch dar. In der auf den ersten Blick nichtssagenden Linie (Chart) sind am Ende alle Zahlen, Fakten und Gefühle dieser Welt historisch zusammengefasst. Wendepunkte sowie Übertreibungen erkennt das erfahrene Auge leichter. Was die beschriebenen Schilderungen in einer Extremsituation wert sind, zeigen die kommenden Tage auf. Im Erdgaspoker wird die nächste Runde eingeläutet. Bis jetzt gehen die Börsianer gelassen mit dem Ultimatum um. Das ist ein gutes Zeichen, da die Masse nicht von einer reibungslosen Wiederaufnahme der Lieferungen ausging. Wir bekommen so oder so einen Stresstest für Wirtschaft, Politik und Kapitalmarkt, denn zudem steht eine weitere Leitzinserhöhung im Euroraum auf der Agenda. In erster Linie kommt es gar nicht so sehr auf die endgültige Nachricht an, sondern auf die anschließende Reaktion der Anleger. Wie zuletzt angekündigt läuft nun die tägliche Überprüfung aller Unternehmen durch die Quartalsberichtssaison. Dabei stehen wir am Anfang. Größere Verwerfungen blieben aus, bisher sehen die Bilanzen solider aus als gedacht. Selbst Unternehmen, die schlechtes Zahlenmaterial präsentierten, konnten Aufschläge verzeichnen. Dort hatte der Markt bereits im Vorhinein den Preis so stark gedrückt, dass am Ende eine positive Überraschung zubuche stand. Besser kann die Unlogik der Börse nicht beschrieben werden. Gestern reichte eine Meldung aus, um die Kurse ordentlich Richtung Norden zu hieven. Wir können mit weiteren Lieferungen von Erdgas über Nordstream 1 rechnen. Wenn gute Nachrichten auf einen extrem pessimistischen Markt treffen, kann das kleine Wunder auslösen. Wir sind für alle Eventualitäten bestens präpariert.
Zocken mit Rohstoffen
Ein Krieg mit seinen Folgen schürt zusätzliche Ängste und Sorgen. An den Märkten wird dies mit erhöhten Volatilitäten (Schwankungsbreiten) ausgedrückt. Als Konsequenz bildet sich leider eine gefühllose Spielwiese für Zocker. Die täglichen Transaktionen am Terminmarkt übertreffen die tatsächlichen Warentransfers um ein Vielfaches. Knappe Güter im Bereich Energie oder Nahrung wurden und werden in schwindelerregende Höhen gezockt. Dadurch verschärft es nur noch die Probleme in der Realität. Börse kennt kein Mitleid, sondern ausschließlich Profite. Über kurz oder lang bildet der Markt nach den Spitzen Gleichgewichtspreise. In etlichen Sektoren hat dies bereits begonnen. Edelmetalle bekommen hingegen Druck von allen Seiten. Höhere Zinsen gelten zukünftig als ausgemachte Sache, der starke US-Doller lastet obendrein wie ein Klotz am Bein. So kann noch kein neuer Trend entstehen. Als Inflationsschutz oder Krisenwährung sind Gold & Co derzeit ebenfalls aus der Mode. Als sinnvolle Beimischung im Depot bleibt es eine gute Halteposition, ein Parken in unserer Weichwährung kommt nicht in Betracht.
Alle Augen auf die EZB
Am Donnerstag schielt die Finanzszene auf das weltweit größte Gelddruckinstitut. 0,25 Prozent Zinserhöhung galt als klare Hausnummer. Mit der höchsten veröffentlichten Inflationsrate seit der Einführung des Euro von 1999 in diesen Tagen, geht nun die Angst um. Ein Drehen von 0,5 bis 1,0 Prozent nach oben an der Zinsschraube scheint im Bereich des Möglichen. Alle Märkte können und müssen sich darauf einstellen. Mittlerweile geben die Kurse bei festverzinslichen Wertpapieren ab, die Renditen klettern erneut. Die nachhaltige Wiederaufnahme des Trends bleibt eine Frage der Zeit.