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Angst und Panik sind zurück

Börsenexperte Sören Weigelt berät Sie gerne rund um die Themen Börse, Aktien und Co. Schreiben Sie uns!

Kurz vor dem technischen Kaufsignal beim Deutschen Aktienindex wurden Dividendentitel brutal ausgebremst. Es folgte eine brachiale Kehrtwende auf dem Fuß. Eine Aussage seitens der Europäischen Zentralbank sowie die Veröffentlichung der neuesten Preissteigerung in den USA reichten aus, um 1,5 Billionen USD an Marktwert in Luft aufzulösen. Mittlerweile rechnen die Zentralbanker (EZB) mit einer höher als angenommenen Inflationserwartung. Was ist das für eine gigantische Einschätzung nach einem 14-jährigen Prozess des Gelddruckens. Mit Zinsschritten hatte die Allgemeinheit gerechnet, der neue scharfe Ton führte zu breit angelegten Aktienverkäufen. Als dann am Freitag die amerikanische Inflationsrate mit 8,3 Prozent p.a. (nur minimale Abweichung von der Erwartung) über das Kursband lief, war es mit dem jüngsten Mut schlagartig vorbei. Ohne genauere Analyse folgte eine weitere Verkaufswelle. Die Panik ist seit vier Handelstagen zurück. Alle Technik- und Stimmungsindikatoren rutschten in den extrem überverkauften Bereich, eine Gegenbewegung liegt demnächst in der Luft. Bis zum heutigen Abend sitzt das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Gegen 20.00 Uhr MEZ gibt die Federal Reserve ihre neuesten Erkenntnisse zum Besten. Wegen der oben angegebenen Teuerungsrate ist die Angst dieses Mal besonders groß. Egal, wie es am Ende ausgeht, die Investoren brauchen Klarheit. Zudem beruhigen sich Märkte nur nach einer klassischen Kapitulation oder den Abbau von Vertrauensverlusten. Letzteres, haben wir zu einem Teil den Krypto-Märkten zu verdanken. Dieses Spielcasino für jedermann erfährt sein bitterböses Erwachen. Ehemalige Jünger werden mit horrenden Verlusten konfrontiert. Zwei große Bitcoin-Adressen stehen vor massiven Problemen. Bei einer wurden die Auszahlungen an Kunden ausgesetzt, der anderen drohen massive Nachschussforderungen. Unter Umständen kippt am Ende ein Institut aus diesem Sektor um oder bedroht ein reales Finanzunternehmen. Lehman lässt grüßen. Solche Entwicklungen schüren größte Unsicherheit, färben auf alle Finanzmärkte ab. Nichtsdestotrotz überwiegen im zweiten Halbjahr die Chancen. Denn ein Großteil der Blase ist abgearbeitet, europäische Unternehmen sind preiswert, 1-2% Zinsen p.a. in Europa sind keine echte Alternative zu Aktien, die Preissprünge an der Inflationsfront sollten sich ab Juli beruhigen und die Weltuntergangsstimmung sichert bald nach unten ab.

Keine Anlageklasse erhält Verschonung

Einen einzigen Tag profitierten Edelmetalle stark von den jüngsten Notenbankaussagen in Amerika und Europa. Dabei brach Gold sogar aus der oberen Begrenzung aus. Die Kraft ließ nach, es handelte sich um ein Fehlsignal. Zwei Tage reichten aus, um mit irrationalem Umdenken einen Ausverkauf anzufachen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der das Analysieren von Fakten sowie das über den Tellerrand schauen von Investoren, keine Daseinsberechtigung hat. Alles wird infrage gestellt. Das Vertrauen in Geldanlagen ist derzeit verschwunden. Es reicht eine Zahl aus der Wirtschaft oder ein nicht optimales Wort zum Drücken des Verkaufsknopfs. Schon oft habe ich Vergleichbares erlebt. Wir beteiligen uns nicht an dem Harakiri und sitzen das Ganze aus. Die Zinsphobie wird ein Ende haben, es gab nachweislich immer wieder Zeiträume in denen Edelmetalle trotz Zinserhöhungen eine ordentliche Wertentwicklung hingelegt haben. Als Krisenmetalle erfüllen sie, aus meiner Sicht entgegen der heute landläufigen Meinung, ihren Zweck. Bargeld allein kann keine Lösung sein. Gold und Silber stellen ein Geldwerterhaltungsmittel dar. Öl rennt nochmals nach oben, feuert die Inflationsängste an. Im zweiten Halbjahr sollte es zu einer Entspannung kommen.

Es gibt kein Halten mehr

Am Rentenmarkt gibt es seit dem Jahreswechsel nur eine Richtung, die in den Süden. Hauptinhaber solcher Anlagen sind Staaten, Versicherungen und Banken. Sie werfen in hohem Bogen die Papiere aus ihren Portfolios. Über Jahre kreierten diese Institutionen mit maßlosen Käufen ein Monster, eine der größten Spekulationsblasen aller Zeiten. Zinsen blieben auf ewig bei null, Inflation sei für immer ausgestorben, so die kühnen Aussagen der handelnden Personen. Mit den Kursverlusten bei Festverzinslichen steigen dementsprechend die Renditen. Für die zehnjährigen Staatanleihen in den Vereinigten Staaten wurden bereits 3,30 Prozent p.a. aufgerufen. Unsere deutsche Umlaufrendite, die im März noch das Negativzeichen aufwies, klettert auf 1,30% p.a. Nach den deutlichen Zuwächsen wäre eine Pause angebracht. Der anschließende Trend für steigende Zinssätze bleibt vorgegeben.

Angst und Panik sind zurück
Zum Autor: Sören Weigelt verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in der Finanzindustrie. Seine Leidenschaft ist die Börse. Bevor er die Mitteldeutsche Vermögensberatung Weigelt & Co. GmbH gegründet hat, war er von 2006 bis 2011 als Vermögensverwalter und zusätzlich zwischen 2006 und 2008 als Mitglied des Vorstandes der Adlatus AG tätig. In den Jahren 2002-2006 verantwortete er als Geschäftsführender Gesellschafter die Vermögensverwaltung in der Adlatus GmbH. Er ist Mitbegründer der Adlatus GmbH. Als Wertpapierspezialist bei der HypoVereinsbank AG in Chemnitz betreute er von 1997-2002 ein Kundenvermögen von EUR 100 Mio. Zusätzlich war er zwischen 2000 und 2002 als Leiter der Wertpapierabteilung sowie als Stellvertretender Leiter der Vermögensanlage Sachsen tätig. Er führte ein Team von 40 Mitarbeitern in verschiedenen Filialen. Eine Auszeichnung als einer der erfolgreichsten Individualkundenbetreuer erfolgte im Jahre 2000 in Form eines Auslandsaufenthalts bei der HypoVereinsbank AG in New York. Sören Weigelt begann seine Karriere nach Abschluss der Lehre zum Bankkaufmann als Kundenberater (1991-1993) und im Anschluss als Individualkundenbetreuer (1995-1997) in der Bayerische Vereinsbank AG. Sören Weigelt verfügt über einen Abschluss der Bankakademie Frankfurt/M. als geprüfter Bankfachwirt. Er ist auch Vortragsredner und Kolumnist.